Streit um die Promotion

erstellt am: 12.03.2015 | von: Udo_UTC1 | Kategorie(n): Uncategorized

An vielen klassischen Forschungsuniversitäten hält man Angewandte Promotionsstudiengänge („professional doctorates“) immer noch für einen doppelten Widerspruch. Zum einen ist eine Promotion im deutschsprachigen Wissenschaftsraum – dem tradierten Verständnis folgend – per se dem reinen Streben nach Erkenntnis verpflichtet. Sie dient der Erweiterung des Wissensbestandes einer Fachdisziplin, nicht dessen Anwendung. Zum anderen halten viele schon den Begriff ‚Studium‘ in Verbindung mit einer Promotion für unpassend: zu viel Struktur, zu viel Anleitung, zu wenig Wissenschaft.

Angesichts der Verbreitung von strukturierten Promotionsprogrammen und angewandten Doktoratsstudien in der anglo-amerikanischen Welt lässt sich über diese beiden Punkte vorzüglich streiten. Bezieht man dann noch die Auseinandersetzung um das Promotionsrecht zwischen Universitäten einerseits und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen andererseits mit ein, ist eine hitzige Debatte garantiert. Dies hatten die Veranstalter wohl im Sinn, als sie das 12. Osnabrücker Kolloquium zum Hochschul- und Wissenschaftsmanagement am 26. Februar 2015 an der Hochschule Osnabrück unter das Motto „Der Streit um die Promotion“ stellten.

Ausgehend von einem Streitgespräch, in dem die gegensätzlichen Positionen umrissen wurden, beschäftigten sich Fachhochschul- und Universitätsrektoren, Leiter von Promotionsprogrammen und weitere Referenten und Referentinnen mit der komplexen Materie. Umfragen unter den Teilnehmenden zeigten, dass eine Mehrheit für die Vergabe des Promotionsrechts an forschungsstarke Fachbereiche an Fachhochschulen war. Aus wissenschaftspolitischer Sicht wurde mit taktischen Argumenten dagegen gehalten: Gewähre man forschungsstarken Einheiten an Fachhochschulen das Promotionsrecht, könne man es außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie der Max-Planck-Gesellschaft kaum vorenthalten. Sei der Damm jedoch erst gebrochen, setze ein schleichender Verfall der klassischen Universität humboldt’scher Prägung ein.

Seit Bologna gehört das Recht zur Vergabe des Doktorgrads zu den wenigen verbliebenen Unterscheidungsmerkmalen zwischen Universität und Fachhochschule. Fachhochschulen halten heute ihre Lehrenden zur Forschung und Einwerbung von Forschungsdrittmitteln an. Universitäten schärfen mit berufsbezogener Weiterbildung ihr anwendungsbezogenes Profil. Die Beschränkung des Promotionsrechts auf einen einzelnen Institutionstyp verliert zunehmend ihre Legitimation. Zwar fordert auch der Wissenschaftsrat eine Ausdifferenzierung der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft, an die exklusive universitäre Verortung des Promotionsrechts hat er jedoch bisher nicht gerührt. Politisch korrekt wird auf die Gleichwertigkeit der Einrichtungen und die Möglichkeit kooperativer Promotionen von Fachhochschulen und Universitäten verwiesen (bei denen freilich die Universitäten die Spielregeln diktieren).

Die Einführung anwendungsbezogener Promotionsprogramme schloss der Rektor einer technischen Universität mit Elitestatus zwar nicht grundsätzlich aus. Er begründete jedoch die Beschränkung auf klassische Promotionsformate mit mangelnden Betreuungsressourcen und verwies auf die Parallelität zur wissenschaftlichen Weiterbildung. Auf Fachhochschulseite, wo man einen natürlichen Verbündeten für den Anwendungsbezug vermuten würde, werde der angewandte Doktoratstyp ebenfalls skeptisch betrachtet, gibt der Rektor einer der größten deutschen Fachhochschulen zu. Man fürchte das Image eines „zweitklassigen Anwendungsdoktorats“ und strebe daher weiterhin das „volle“ Promotionsrecht an. Dies ist nur begrenzt plausibel. Laut KMK-Beschluss sind beispielsweise angewandte Promotionsstudiengänge britischer Universitäten (DBA, DEng., DMC u.a.) ebenso wie der klassische PhD der deutschen Promotion formal gleichgestellt und berechtigen zur Führung des Titels „Dr.“ ohne weiteren Zusatz.

Was bedeutet diese Situation für die Wissenschaftslandschaft? Die Ausdifferenzierung der Hochschultypen wird sich fortsetzen. Bei der Durchführung von Promotionen werden die Fachhochschulen weiter auf die Zusammenarbeit mit Universitäten im In- und Ausland setzen. „Kooperative Promotionskollegs“, wie derzeit in NRW in Planung, werden von Fachhochschulen als administrative Krücke genutzt. Wissenschaftlich interessierte Berufstätige werden sich trotz hoher Studiengebühren verstärkt Hochschulen im Ausland zuwenden, da deren strukturierte Programme Planungssicherheit und häufig eine bessere Betreuung bieten. Auch wer im Bereich der Managementstudien in die Tiefe gehend forschen, das betriebliche Transferpotenzial ausschöpfen und dabei einen Doktortitel erwerben möchte, wird deutsche Universitäten eher umgehen und sich für das DBA-Studium eines internationalen Anbieters entscheiden.

Er muss dafür – wenn er nicht will – gar nicht weit gehen. Britische Hochschulen werben derzeit verstärkt um deutsche Akademiker mit Berufserfahrung für ihre Promotionsstudiengänge. Die University of Gloucestershire bietet gemeinsam mit einem Partner die Möglichkeit an, die erste Programmphase ihres DBA-Studiums in diversen deutschen Städten zu absolvieren. Die Teilnehmer sind Führungskräfte, Selbstständige, Gründer oder Menschen in der Familienphase. Im vergangenen Jahr wurde einer der Absolventen auf eine Professur an einer deutschen Business School berufen. Qualitätsprobleme scheint es nicht zu geben. Die Einrichtung denkt ebenso wie weitere Anbieter aus UK über eine Ausweitung ihrer Aktivitäten nach.

Die Veranstalter des Osnabrücker Kolloquiums haben den Finger in die Wunde gelegt. Es geht nicht nur um das Promotionsrecht für Fachhochschulen oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Es geht um die grundsätzliche Frage, wie wir uns wissenschaftliches Arbeiten an der Schnittstelle von Hochschule, Arbeitsmarkt und Gesellschaft in Zukunft vorstellen. Es geht darum, wie wir die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit von Hochschulen in einer globalisierten und digital geprägten Welt bewerten. Es geht um die Frage, wem wir aufgrund welcher Qualifikationen und Kompetenzen den Zugang zu postgradualem wissenschaftlichen Arbeiten ermöglichen.

Ausreichend Stoff für die Fortsetzung der gelungenen Osnabrücker Veranstaltung.

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