Work-Life-Balance: Denkfehler?

Thomas Sattelberger ist immer für eine anregende Debatte gut. In einem Interview mit der deutschen Huffington Post zieht er gegen die diskutierte „Anti-Stress-Verordnung“ aus dem Bundesarbeitsministerium zu Felde. Nicht nur die Wirtschaft müsse sich ändern, sondern auch jeder Einzelne. Work-Life-Balance sei „Selbstbetrug“, weil sie Arbeit und Leben voneinander trenne. Besser sei es, seine Kraft für ein erfüllendes Arbeitsleben einzusetzen, als Arbeit und Leben strikt voneinander zu trennen und die „Flucht ins Private“ anzutreten.

Zum Beitrag in der Huffington Post

Gewissermaßen setzt sich Sattelberger mit diesem Beitrag an die Spitze der „Neue-Arbeit-Bewegung“. Schaut man sich allerdings an, wie Sattelberger an anderer Stelle über den mangelnden Unternehmergeist der „neuen Generation“ klagt, wird klar, dass es ihm nicht vorrangig um mehr Muße und Qualitätszeit für die Familie geht. Vielmehr fordert er ein mitdenkendes und geradezu co-unternehmerisches Engagement ein, das zwar eine Nine-to-Five-Haltung ausschließt, jedoch zu einer erfüllten Lebensgestaltung beiträgt. Ob dies für alle Arbeitsbereiche und Qualifikationslevel gleichermaßen realistisch sei, wird er richtigerweise gefragt. Ebenso plausibel weist Sattelberger jedoch daraufhin, dass auch ein Sachbearbeiter es selbst in der Hand hat in gewissen Abständen zu überprüfen, ob seine Tätigkeit ihm langfristig das richtige Maß an Erfüllung bietet (und ggf. Konsequenzen zu ziehen).

Ich finde dies überzeugend. Bei der Diskussion um die „neue Arbeit“ kommt mir manchmal etwas zu kurz, dass es neben Balance, Sinnsuche und Erfüllung auch um Verantwortung geht. Etwa im Sinne dieses Cartoons, ebenfalls aus der Huffingtion Post:

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Die Überlegungen Sattelberges verbinden beides miteinander, Unternehmertum und Verantwortung einerseits, ein erfülltes Leben andererseits. Mit und von seiner Arbeit so erfüllt zu sein und gleichzeitig die eigenen Kräfte so dosieren zu können, dass man auch mit Familie und Privatleben vollständig in Harmonie ist, scheint mir tatsächlich ein erstrebenswerter Zustand zu sein. Schade, dass ich niemanden kenne, der sein Leben auf diese Weise im Griff hat und den ich mir zum Vorbild nehmen könnte.

 

 

Kritisch und hartnäckig

Die Journalistin Bärbel Schwertfeger ist als MBA-Expertin bekannt. Dies ist aber nicht der Hauptgrund, warum ich regelmäßig in ihren Blog mit dem Titel „MBA-Journal“ (früher: MBA-Channel) hineinschaue. Häufig stammen Informationen über den MBA-Markt von den Anbietern selbst oder aber aus Magazinen, an denen die Anbieter mit Anzeigen und PR-mäßig gesteuerten redaktionellen Beiträgen beteiligt sind. Bärbel Schwertfegers Artikel heben sich mit ihrer kritischen Distanz ab.

Geradezu gnadenlos sind ihre Analysen, wenn es um die „schwarzen Schafe“ der Branche geht. Die Berichterstattung um die EBS und ihren ehemaligen Präsidenten Christopher Jahns ist zwar auch in der Tagespresse so ausführlich nachzulesen wie selten sonst etwas, wenn es um Hochschulen geht. Niemand jedoch hat das Abrutschen der Top-Schule und die gerichtlichen Auseinandersetzungen des Ex-Präsidenten so investigativ und hartnäckig verfolgt wie Frau Schwertfeger.

Lesenswert ist auch ein jüngerer Beitrag, in dem es um einen Korruptionsverdacht chinesischer Staatsbeschäftigter geht, die angeblich zu Vorzugskonditionen an Executive Programmen chinesischer Anbieter teilnahmen. Offensichtlich erkauften sich einzelne Schulen mit den Stipendien, die sie hohen Staatsbeschäftigten gewährten, wichtige Kontakte. Insbesondere EMBA-Programme scheinen dabei im Verdacht zu stehen, es mit dem Netzwerken etwas übertrieben zu haben.

Wer sich für Weiterbildung an der Schnittstelle von Hochschule und Unternehmen interessiert, kommt am MBA-Journal nicht vorbei. Die Beiträge sind exzellent recherchiert und gut lesbar. Da Frau Schwertfeger auch mit persönlichen Einschätzungen nicht hinter dem Berg hält, dürfte ihr Blog im deutschsprachigen Raum zu den einflussreichsten Medien rund um das MBA-Thema gehören. Weiterhin wird vermutlich auch das eine oder andere schwarze Schaf dies zu spüren bekommen.

www.mba-journal.de

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